Wissenswertes
Die Heimat leben, die Wurzeln pflegen
Sich wirklich „dahoam“ fühlen sich die meisten Ötztaler nur, wenn sie aktiv zur Pflege von Bräuchen, Gemeinschaft und Tradition beitragen. Sechs von ihnen bringen dir die wichtigsten Institutionen und Rituale näher.
Der Kirchtag
© Ötztal Tourismus / Alexander Lohmann
Längenfelds Ortsbäuerin Petra Holzknecht schildert den Bedeutungswandel des einstmals höchsten Dorffests am Namenstag der Kirchenschutzpatrone
„Eine Woche lang Hausputz in Höchstform. Backen und Kochen in Höchstmengen. Dazwischen noch mehr beten und zur Kirche gehen als sonst, alles für den Kirchtag und den damit verbundenen Verwandtenbesuch aus nah und fern. Ich erinnere mich daran nur aus Erzählungen von älteren Leuten. Von den Kirchtagen der ursprünglichen Art ist wenig übriggeblieben. In meiner Kindheit hatten wir am Kirchtag schulfrei. Heute machen die Schulen an diesem Tag die Aktion „gesunde Jause“. In bäuerlichen Familien kochen die Frauen noch die typischen Kirchtagsspeisen, das Breigericht ‚Nuie Schmalz‘, die Kirchtagskrapfen mit einer Füllung aus Feigen, Mohn, Zimt und Zucker oder das ‚Hofnkraut‘ – Sauerkraut musste in Längenfeld am 25. November, dem Namenstag der Schutzpatronin St. Katharina, fertig fermentiert sein. Manche Ötztaler Dörfer verlegen den Kirchtag auf den Sonntag nach dem Patronatstag, damit alle fest feiern können.
Die Marketenderinnen
© Ötztal Tourismus / Anton Heger
Anna Pienz von der Musikkapelle Oetz erzählt, warum die Dorfmusik und die Schützenvereine nie ohne ihre Marketenderinnen ausrücken
„Marketenderin bin ich seit fünf Jahren, zusammen mit noch drei jungen Frauen aus Oetz. Meine Motivation: Ich mag die Gemeinschaft und die Musik. Dafür gebe ich gern viel Freizeit her. Mein Outfit: Wie die Musikantinnen trete ich in Ötztaler Frauentracht auf. Wir Marketenderinnen tragen allerdings feine Strümpfe aus Zwirn statt aus Wolle. Für Make-up und Schmuck gibt es keine Vorschriften. Meine Job Description: In den Vereinsstatuten der Musikkapellen steht, dass Marketenderinnen unverheiratet sein müssen und für das Wohl der Musikanten zuständig sind. Ledig sind wir, doch bei unseren Ausrückungen ist zuerst das Publikum dran. Wir flankieren den Kapellmeister, das schaut sicher fesch aus. In den Spielpausen gehen wir durch die Reihen und offerieren Schnaps aus unseren „Panzelen“, die gut zwei bis 3 Liter fassen. Natürlich schauen wir darauf, dass für unsere Musikanten nach dem Auftritt auch ein Stamperl übrig bleibt.“
Die Musikkapellen
© Ötztal Tourismus / Ewald Schmid
Franz Gstrein, Flügelhornist und Ehrenmitglied der Musikkapelle Oetz, macht klar, warum es im Ötztal seit dem 19. Jahrhundert „koa Dorf ohne Muusig“ gibt
„Der DJ Ötzi kommt aus Oetz, das weiß jeder. Wir und unsere Nachbarn aus Sautens oder der Ötzer Au waren aber immer schon musikalische Leute. Die Musikkapelle Oetz wurde 1829 als eine der ersten im Tiroler Oberland gegründet. Heute ist Längenfeld unser musikalischer Hauptort mit gleich zwei hoch ambitionierten und wetteifernden Musikkapellen plus dem Hauptsitz der Landesmusikschule fürs ganze Tal. Wir traditionellen Kapellen sind Blasmusikensembles mit einer Besetzung, die je nach Ort zwischen 30 und 60 Personen schwankt. Gut ein Drittel der Musikanten sind Frauen. Wie die Wiener Philharmoniker haben wir uns den modernen Zeiten angepasst. Weil das Durchschnittsalter unserer Musikanten beiderlei Geschlechts unter 30 Jahren liegt, ist auch unser Repertoire modernisiert. Das Publikum bekommt außer Landlern, Märschen, Polkas oder Walzern längst auch Jazziges und Rockiges zu hören. Unsere Musikkapellen sind Vereine, alle proben und spielen ehrenamtlich bei rund 90 Ausrückungen pro Jahr. Außer unseren Instrumenten kaufen, erhalten und pflegen wir auch die Trachten. Ohne großzügige private Förderer wäre diese Kulturleistung nicht denkbar.
Der Sennelar
© Isolde von Mersi
Anita Riml, Wirtin der Kleble Alm auf Söldens stiller Seite, erinnert daran, warum der 15. August seit alters her für Söldens Almen ein berauschender Feiertag ist
„Seit 26 Jahren bin ich Gastwirtin in der Hütte, die der Großvater meines Manns schon 1927 zum Gasthaus gemacht hat. Auf einer Alm, die eigentlich ein Almdorf ist mit sieben Thayen, so nennen wir die Almhütten. Früher kamen die Bauern im Sommer mit Kind und Kegel herauf, um das Vieh im Windachtal zu weiden und die steilen Bergwiesen auf Kleble zu mähen. Weit weg vom Dorf, fieberten alle dem Sennelar am 15. August entgegen. Das war ja ein doppelter Feiertag: Da ist die Muttergottes in den Himmel auf- und das Heu der Bergwiesen eingefahren.
Schon Tage vorher brachten die Frauen die Hütten auf Hochglanz, und die Kinder zappelten aus Vorfreude: Endlich Besuch in der Bergeinsamkeit! Von überall her kamen Freunde, Verwandte und Nachbarn zum Hochfest der Almen, zogen von Hütte zu Hütte, sangen, tratschten, tranken in jedem Haus ein Schnapsl und schmausten, was nach dem Brauch aufgetischt wurde: Nuie Schmalz und Krapfen. Manche Sölder Almen lassen es beim heutigen Sennelar richtig krachen, mit Musik und Tanz. Wir auf Kleble backen Mohnstrudel und 300 Krapfen, schenken Schnaps aus und vertrauen darauf, dass sich die Leute wie in handylosen Zeiten miteinander unterhalten und ihren Spaß haben.“
Das Stanggern
© Ötztal Tourismus / Matthias Burtscher
Altbauer Johann Leitner begründet, warum sein Chrysanth-Hof noch immer auf die alte Erntemethode des Heutrocknens auf Sprossen-Holzpfählen schwört
„Je öfter man eine Wiese mäht, desto weniger Blumen und Kräuter überleben. Das Heu verliert wertvolle Aromen und Nährstoffe, die Milch ebenso. Weil wir das als gesundheitsbewusste Selbstversorger nicht wollen, mähen wir unsere Wiesen nur zweimal und lassen unser Tiroler Grauvieh den Rest abgrasen, wenn es von der Alm heimkehrt. Milch, Sahne, Butter – alles schmeckt besser, wenn die Heuwirtschaft traditionell betrieben wird. Das Stanggern ist aufwändiger als maschinelle Ernte. Es braucht mindestens vier Leute, die im Akkord arbeiten. Geübte stellen pro Tag 80 bis 100 Stangger auf, nachdem das Gras gemäht, gewendet und so angetrocknet ist, dass es aufgeschichtet werden kann. Im Detail hat jeder Hof seine eigene Stangger-Technik. Letztendlich läuft sie darauf hinaus, dass jeder Stangger obenauf einen Heuhut aufgesetzt bekommt, an dem der Regen bis zum Heueinfahren nach rund einer Woche abrinnen kann. Meine Enkel schimpfen zwar, dass wir als einzige in Umhausen das Heu noch so altmodisch machen. Aber das Stanggern haben sie trotzdem von klein auf gelernt.“
Der Schützenverein
© Ötztal Tourismus / Klaus Kranebitter
Bataillonskommandant Toni Klocker berichtet, wie die sieben Schützenvereine zwischen Ötztal Bahnhof und Sölden im Hier & Jetzt aktiv sind
„Für uns Nordtiroler Schützen ist Schießen eine Sekundärtugend, wir sind heute vor allem durch unser soziales Wirken bestens in der Gesellschaft verankert. Klar rücken wir in der Tracht und mit Gewehr für Feste oder Prozessionen aus, denn die Festkultur fördert die Gemeinschaft. Im anonymen digitalen Zeitalter ist das wichtiger denn je. Außerdem unterstützen wir mit den Gewinnen kirchliche und soziale Organisationen. Ein Höhepunkt ist unser seit 1950 etabliertes Ötztaler Bataillonsfest am vorletzten Samstag im Juli. Doch kaum einer weiß, dass unsere Freiwilligen in fast allen Ötztaler Gemeinden ganzjährig das „Essen auf Rädern“ am Rollen halten. Wie intensiv unsere Jugendarbeit ist, lässt sich daran ermessen, dass es im Ötztal die meisten Jungschützen und Jungmarketenderinnen Tirols gibt – ja, fast die Hälfte unseres Nachwuchses ist weiblich. Und nein, wir züchten keine ‚Flintenweiber‘ oder jugendliche Amokläufer heran. Feuerwaffen sind nur für Erwachsene und fest in der Hand der Waffenmeister in den gut gesicherten Schützenheimen.“
Info
Noch mehr über die kulturelle Vielfalt des Ötztals, über Kulturveranstaltungen und Bräuche erfährst du im Ötztaler Kulturführer, den du HIER als Blätterkatalog betrachten kannst.
© Isolde v. Mersi
Gastautorin Isolde v. Mersi
Isolde von Mersi stammt aus dem Südtiroler Pustertal und lebt in Wien. Als Reporterin und Buchautorin erkundet sie für deutsche und österreichische Magazine und Verlage die kulturellen, kulinarischen und naturgeschichtlichen Schätze der Alpenländer und ihrer Bewohner.
Im Ötztal fühlt sie sich durch ihre Arbeit für das ÖTZTAL MAGAZIN seit vielen Jahren zuhause und unter ziemlich besten Freunden.
Weitere Beiträge von Isolde v. Mersi:
- Das pure Leben ist nachhaltig
- Heimat schmeckt gut wie Brot
- Schlichtes Luxusmahl: Das „Muas“ (Sölden Blog)
- Vier Asse auf der Hand
- Die Natur. Ihr Park. Seine Schätze.
- Die Urkraft siegt. Natürlich, mächtig, schön.
- Die Wände hochgehen mit den Profis
- Die (k)ältesten Spuren
- Dein Weg ist das Spiel
- Granatrote Vitaminbomben
ÖTZTAL MAGAZIN
Isolde v. Mersis Begegnungen mit den Pflegerinnen und Pflegern des Brauchtums im Ötztal kannst du als Testimonials nachlesen im ÖTZTAL MAGAZIN Sommer 2019. Das Printmagazin mit den aktuellsten und interessantesten Geschichten zur Ötztaler Frühlings-, Sommer- und Herbstsaison erhältst du in den Sprachen DE/EN/NL kostenlos in allen Informationen des Ötztal Tourismus. Unter der Adresse www.oetztal.com kannst du es bestellen und dir frei Haus zustellen lassen oder als Blätterkatalog betrachten.
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