Klettern
Wächter über 12.552 Haken & Ösen
Bei 20 Klettergärten, 8 Klettersteigen bzw. 750 Routen mit 12.552 Haken und Ösen verteilt über das gesamte Ötztal kann man schon mal den Überblick verlieren. Nicht aber Alexander Riml und Ewald Holzknecht, die sich im Auftrag von Ötztal Tourismus um die Sicherheit der Kletterrouten und -steige kümmern – und dabei den Durchblick bewahren. Wir haben uns mit Alexander im Kletter- und Bergsteigershop ALPINTREFF in Längenfeld getroffen, um mehr über das Thema zu erfahren. Ein Gespräch über Winkelschleifer, Akku-Bohrmaschinen und den Frost-Tau-Wechsel.
Der Kletternachwuchs freut sich auf die neue Saison!
© Elias Holzknecht / Ötztal Tourismus
Sicherheitscheck vor Saisonbeginn
Alljährlich zu Ostern, noch bevor die Klettersaison im Ötztal so richtig beginnt, schwärmen Alexander und Ewald erstmalig aus, um die Klettergärten und –steige des Tals auf ihre Sicherheit hin zu überprüfen. Auch deshalb, weil der Frost-Tau-Wechsel im Frühjahr dazu führt, dass sich „viel im Fels tut“ und sich Gestein lockern kann, wie Alexander in diesem Zusammenhang erläutert.
Alleine schon aufgrund der Vielzahl an Routen muss dieser Sicherheitscheck strukturiert bzw. in Intervallen durchgeführt werden. So wurde ein Plan ausgearbeitet, nach welchem die unterschiedlichen Kletterrouten bzw. –steige in definierten Abständen regelmäßig kontrolliert und gewartet werden.
Dabei spielt auch eine Rolle, wie stark frequentiert ein bestimmter Klettergarten oder ein Klettersteig ist. Standardrouten in einem gewissen Schwierigkeitsgrad, welche viel begangen werden, werden alljährlich und regelmäßig kontrolliert, während Routen, die einen langen Zustieg erfordern oder in einem hohen Schwierigkeitsgrad angesiedelt sind, in längeren Intervallen überprüft werden.
Ein einzigartiges System, das sich bewährt hat
Aber nicht nur wann, sondern auch wie der Sicherheitscheck einer Route durchzuführen ist, wurde von Ötztal Tourismus in Abstimmung mit den zwei geprüften Berg- und Skiführern in einem Konzept ausgearbeitet. Dabei kommt den beiden auch ihre Ausbildung im Industriekletterbereich zugute.
Nach einem definierten Schema werden gewisse Stellen, wie etwa am viel begangenen Stuibenfall-Klettersteig, kontrolliert und bei Bedarf markiert. Etwaige Gefahren wie lockeres Gestein oder beschädigte Haken werden in Protokollbüchern vermerkt und an Ötztal Tourismus gemeldet, im Anschluss machen sich Alex und Ewald an die Behebung des Problems. Durchgeführte Maßnahmen, wie etwa die Neubohrung und Setzung eines Hakens, werden dann mit einem Wartungseintrag vermerkt.
In luftigen Höhen: Ewald bei der Arbeit mit Bohrmaschine
© Ewald Holzknecht
Je nach Art und Ausmaß des Gefahrenpotentials werden Korrekturen sofort bzw. innerhalb eines bis maximal 2 Tagen durchgeführt. Natürlich können (und sollen) Gäste bzw. einheimische Kletterer sich aktiv bei Ötztal Tourismus melden, wenn ihnen eine Gefahr, wie etwa ein lockerer Tritt, auffällt. Der Tourismusverband wiederum gibt die Info an Alex und Ewald weiter, die das Problem dann unter die Lupe nehmen.
Dieses besondere Kreislauf-System ist die Basis, um eine größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten und funktioniert sehr gut, wie Alex erklärt. Dabei weist er darauf hin, wie wichtig es ist, dass die Meldungen von Kletterern so exakt wie möglich übermittelt werden. In welcher Route genau tritt ein Problem auf? In der wievielten Seillänge gibt es ein Gefahrenpotential? Ist es der zweite, vierte oder sechste Haken, der locker ist? Je genauer und detaillierter diese Meldungen sind, umso einfacher und schneller kann die Fehlersuche und –behebung durchgeführt werden.
Kleber wird in eine Bohrung eingeführt © Alexander Riml
Der Haken mit den Hakenabständen
Alex und Ewald bilden die zentrale Anlaufstelle, wenn es um die Sicherheit der Kletterrouten im Ötztal geht – ca. 80% der Wartungs- und Kontrolltätigkeiten werden von ihnen durchgeführt. Aber auch Bergführerkollegen übernehmen gewisse Aufgaben, sofern sie die dafür notwendige Qualifikation besitzen.
Gefragt nach der größten Herausforderung bei ihrer Arbeit, spricht Alex unter anderem die definierten Hakenabstände in den Routen an – diese Abstände sind zwingend einzuhalten. Muss nun etwa in einer gewissen Route ein Haken getauscht und neu gebohrt werden, weil dieser locker oder beschädigt ist, so haben die beiden nur einen gewissen Spielraum, um diesen Haken neu zu setzen – und manche Routen bieten dafür einfach wenig Platz.
Unterwegs mit schwerem Gerät
Nicht nur die einzuhaltenden Hakenabstände stellen Alex und Ewald vor eine Herausforderung, auch die Geräte, mit denen sie am Fels unterwegs sind, verlangen von ihnen körperlich alles ab. So kommen etwa Akku-Winkelschleifer und Akku-Bohrmaschinen neben Werkzeugschlüsseln zum Einsatz.
Bei der Absicherung und Wartung von Klettersteigen wird, im Vergleich zu Kletterrouten, eine nochmals größere Bohrmaschine verwendet – so kommen schon mal 15 Kilogramm zusammen, welche neben dem restlichen Material wie Kleber, Stahlseilen und Haken, mitgeschleppt werden müssen. Eine beeindruckende körperliche und psychische Leistung, wenn man sich vorstellt, dass diese Arbeiten oft in hunderten Metern Höhe durchgeführt werden!
XXL-Bohrmaschine im Einsatz © Ewald Holzknecht
Vielfältiges Klettereldorado Ötztal
Das Ötztal bietet für jeden Kletterer interessante Gebiete bzw. Routen © Elias Holzknecht / Ötztal Tourismus
Fragt man Alex nach seinem Lieblingsklettergebiet im Ötztal, pickt er kein bestimmtes Gebiet heraus. Viel mehr schätzt der Outdoor-Spezialist die Vielfältigkeit des Kletterangebots im Tal und die Möglichkeit, in kürzester Zeit von Granitgestein (im Ötztal) zu Kalkgestein (wie etwa in Haiming) zu wechseln.
Aber auch den sehr hohen Sicherheitsstandard der eingerichteten Routen, im Vergleich zu anderen Klettergebieten, weiß Alex zu schätzen und spricht dabei etwa die Dicke der Haken und die Hakenabstände an. Und verweist auf die Eigeninitiative, die Ötztal Tourismus in diesem Bereich gesetzt hat. In diesem Sinne: Auf eine tolle Klettersaison 2017!
Einen Überblick aller Klettergärten und Klettersteige im Ötztal gibt es HIER.
(Titelbild: © Alexander Riml)
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