Wissenswertes
Per Du mit den Königen der Lüfte
Adler und Bussarde, Falken und Milane ziehen bei täglichen Shows ihre Flugspuren durch den Himmel über Umhausen. Im Greifvogelpark nahe dem Ötzidorf arbeitet Falknerin Katharina Girsule intensiv mit rund 30 seltenen Vögeln. Für sie ist jeder von ihnen ein eigener Charakter – und die artgerechte Haltung oberste Pflicht.
Dicht fliegen die Greifvögel über die Köpfe der Zuschauer hinweg
© Hans-Peter Leiter / Ötztaler Greifvogelpark
Wanderfalken mit Argusaugen
Wusch! jagt ein Schatten quer durch die Arena, ganz knapp über unsere Köpfe hinweg, wirbelt die Haare auf und lässt ein Sirren in der Luft. Eine Naturgewalt mit Flügeln, die plötzlich ihre Richtung ändert und pfeilschnell in die Höhe schießt. Eine Zeitlang surft der Wanderfalke dank unsichtbarer Thermik wie auf der perfekten Welle. Dann schraubt er sich unglaublich elegant in den Himmel, bis wir Mühe haben, ihn überhaupt noch zu orten.
„Dafür sieht er uns ganz genau“, versichert Katharina Girsule, „egal wie hoch er steigt. Ein Wanderfalke kann aus acht Kilometern Entfernung eine Taube erkennen. Allerdings nimmt er bei hunderten von Zuschauern nicht mehr jeden einzelnen wahr.“
Indianerfedern kommen bei den Gefiederten nicht so gut an
Die 22-jährige aus dem Pongau im Salzburger Land ist Falknerin im Ötztaler Greifvogelpark Umhausen, seit der Eröffnung im Sommer 2015 ist sie dabei. „Ein Greifvogel greift keine Menschen an. Aber manchmal passt der Kolkrabendame Bonney zum Beispiel irgendein Schirm nicht, dann gehe ich mit ihr einfach zwei Meter weiter weg. Wenn ein Pferd am Wasser scheut, führe ich es ja auch nicht extra zum Wasser.
Aber du musst den Vogel kennen, sonst funktioniert die Sache nicht. Letzte Saison gab es ein Treffen von Indianer-Fans im Ötztal“, erinnert sich Katharina. „Etwa 40 Leute im Indianer-Outfit mit vollem Federschmuck kamen zur Flugvorführung. Da waren einige Vögel ziemlich irritiert.“
Falknerin Katharina Girsule © Gebhard Schranz / Ötztaler Greifvogelpark
25 bis 30 Vögel leben zurzeit im 5.000 qm großen Ötztaler Greifvogelpark zu Füßen von Tirols größtem Wasserfall – dem Stuibenfall – direkt neben dem Ötzidorf. Falken, Adler, Geier, Schnee-Eulen, Milane und Kolkraben scheinen sich wohlzufühlen in ihrer natürlichen Umgebung, zwischen all den markanten Gipfeln der Ötztaler Alpen. Vor der grandiosen Kulisse der Berggiganten heben sie von der Zuschauerarena mehrmals täglich zu Flugvorführungen ab.
Die „Beute“ fest im Blick © Hans-Peter Leiter / Ötztaler Greifvogelpark
Nicht jeden Tag hoppelt ein fettes Kaninchen vorbei
„Warum kommen Eure Greifvögel eigentlich zurück“, möchte ich wissen, „obwohl es doch viel artgerechter für sie ist, in Freiheit zu leben? Warum nutzen sie ihren ‚Freiflug‘ nicht aus, um den Volieren zu entrinnen?“ Katharina lächelt und sieht dabei so weise aus wie ihre Schnee-Eulen: „Gegenfrage: Warum kehrt eine Katze immer zurück?“
Und antwortet gleich selbst: „Weil es eine Beziehung zu ihren Bezugspersonen gibt. Genauso beim Greifvogel. Er weiß genau: ‚In der Natur muss ich jagen, festhalten, töten. Es ist richtig anstrengend zu überleben. Nicht jeden Tag hoppelt ein fettes Kaninchen vorbei, oft muss ich tagelang hungern. Wenn es zwei Wochen lang regnet, finde ich allenfalls ein paar Regenwürmer’“.
Vogel-Luxusleben wie im 5-Sterne-Hotel
Der Ausblick vom Greifvogelpark talauswärts kann sich sehen lassen © Ötztaler Greifvogelpark
Im Greifvogelpark dagegen lebt die ganze Vogelschar wie im Fünf-Sterne-Hotel. Braucht nicht selber auf die Pirsch zu gehen, hat jeden Tag einen Freiflug, bekommt regelmäßig Frischfleisch – Ratten, Hamster, Kaninchen, Wachteln, Tauben – also alles, was das Herz begehrt. Allerdings keine lebende Beute, das ist verboten.
Artgerecht? „Was man hier sieht, passiert genauso wie in freier Wildbahn bei seinen Jagdflügen. Der Vogel macht nichts, was er nicht von Natur aus auch machen würde. Jeder Flug ist ein Jagdflug. Nur dass er statt eines großen Rundflugs täglich mehrere kleine Jagdflüge unternimmt und so sein Futter statt von der Wiese von der Faust bekommt. Greifvögel haben keinen Tötungsinstinkt. Je weniger Aufwand, desto besser. Und wenn ein Tier nicht fliegen will, weil es zu dick ist, bekommt es einen Stehtag verordnet, einen Ruhetag, an dem es nicht fliegt. Wie in der Natur. Wer nicht jagt, bekommt auch nichts zu fressen.“
„Da stehst du unten und wartest und wartest“
„Ihr arbeitet doch immer zu zweit in der Arena. Woher weiß der Vogel, zu wem genau er zurückkehren muss?“, möchte ich wissen. „Wir sprechen uns vorher natürlich ab“, klärt Katharina auf, „wer den jeweiligen Vogel nachher zurückruft. Das passiert aber nur durch optische Signale wie Klopfen auf den Lederhandschuh. Ich werde ihn nicht rufen, wenn er noch nicht runter will. Und ob er runter will, sehe ich an der Flugbewegung.
Wenn er länger fliegen möchte, fliegt er halt länger. Da kannst du nichts machen. Wie bei der Steppenadlerdame. Da stehst du unten und wartest und wartest. Bis sie endlich zurückkommt. Einmal blieb sie sogar über Nacht weg. Du kannst sie nicht zwingen. Aber wie bei einer Katze, die du gut behandelst, wird auch sie immer zurückkehren. Es ist noch keines unserer Tiere für immer entschwunden.“
So blicken die Greifvögel auf „ihren“ Greifvogelpark herab
© Hans-Peter Leiter / Ötztaler Greifvogelpark
Ein Greifvogel jagt im Wasser nach Beute © Hans-Peter Leiter / Ötztaler Greifvogelpark
Flugstil wie ein Rasenmäher
Nicht jeder Greifvogel ist auch ein Flugkünstler. „Wir hatten mal einen Sakerfalken, vom Flugstil her war er wie ein Rasenmäher – für unsere Anlage einfach nicht geeignet. Wir mussten ihn austauschen gegen Sissi, die mit ihren U-Haken jedes Mal fast einen Salto schlug, aber sich viel besser für uns eignete. Es gibt so viele unterschiedliche Flugstile. Das ist wie bei Menschen – es gibt Sprinter, es gibt Marathonläufer.“
„Ich werde mein Leben lang mit Greifvögeln arbeiten“, weiß Katharina Girsule schon jetzt, wobei ein Falkner nicht nur für Falken sondern für alle Greifvögel zuständig ist. Obwohl Falkner kein anerkannter Beruf ist, hat sie als Jüngste mit 15 Jahren eine Prüfung als Falknerin abgelegt und mit 16 die Jägerprüfung.
„Ich bin in Salzburg zur Waldorfschule gegangen“, sagt sie „und wollte für ein Referat bei einem Praktikum Missstände bei der Tierhaltung auf Burg Hohenwerfen aufdecken.“ Dabei lernte sie, dass es ohne artgerechte Haltung heute zum Beispiel gar keine Wanderfalken mehr gäbe. „Wenn schon Haltung, dann ist die Falknerei mit Abstand die artgerechtere. Im Zoo nutzen die Greifvögel selbst eine zwei Quadratmeter große Voliere nicht, weil sie grundsätzlich nur von oben nach unten fliegen, um sich ihr Futter zu holen.
Gewöhnungsphase in der Dunkelkammer
Grundvoraussetzung, um Falkner zu werden, ist Geduld. Schritt für Schritt muss ein Jungvogel Vertrauen zu den Falknern aufbauen können. „Drei bis vier Stunden am Tag verbringen wir anfangs mit einem Vogeljungen in einer dunklen Kammer, wo es nur unsere Konturen sieht. Dann geht es in eine hellere, bis es sich an uns gewöhnt.“
Zwischen drei Wochen und drei Jahren dauert das Training, bis ein Greifvogel startklar ist zur ersten Flugvorführung. Das ist sehr unterschiedlich. Jeder Vogel bekommt einen Namen, und jeder Falkner trainiert mit jedem Vogel, damit es keine Abhängigkeiten gibt.
© Hans-Peter Leiter / Ötztaler Greifvogelpark
Der König der Lüfte voll fokussiert
© Gebhard Schranz / Ötztaler Greifvogelpark
Fliegen ist wie Laufen lernen
Wie hoch ein Greifvogel fliegt, hängt von Wetterlage und Können ab. „Wenn eine Steppenadlerdame auf 3.000 bis 4.000 Höhenmeter steigt, kann man nicht mal mehr einen Punkt sehen. Wahrscheinlich geht es durchaus noch höher, aber das wissen wir nicht.“
Fliegen ist laut Katharina wie Laufen lernen: „Es sieht einfach aus, ist aber schwierig und erfordert viel Können. Sie müssen ihren Flugstil erstmal entwickeln. Es kommt sehr auf den Charakter an, ob ein Greifvogel überhaupt steigen möchte. Beim Training machen wir uns das Gruppenverhalten zunutze und schicken einen Adler mit zehn Jahren Flugerfahrung als ersten in die Lüfte, so dass sich ein junger Gänsegeier einfach dranhängen kann.“
Die schwer verliebte Schnee-Eule
Schneeeule „Jack Frost“ im Landeanflug © Hans-Peter Leiter / Ötztaler Greifvogelpark
Auch Sensibilität und Beobachtungsgabe seien gefordert, sagt die Falknerin: „Wenn einer in die Voliere geht und an der Gestik nicht merkt, dass sich der Vogel dabei unwohl fühlt, muss er in der Lage sein, schnell zu reagieren. Zum Beispiel einen Millimeter zurück mit der Faust, minimale Kleinigkeiten, aber genau die machen es aus, ob du einem Vogel sympathisch bist.“
In der letzten Saison hatte sich Jack Frost, eine der jungen Schnee-Eulen, total in Katharina verschossen. Der andere Falkner konnte mit Futter locken, soviel er wollte – er wurde schlichtweg ignoriert. Das sei nicht gut, betont die Vogelexpertin: “Wir müssen ein Team sein. Wenn ich mal frei habe, sollten die Kollegen in der Lage sein, weiterzumachen und jeden Vogel auf einen Flug zu schicken.“
Sparsam sein mit Berührung – Beziehungspflegetipps für Einzelgänger
Auf ihrer Morgenrunde durch die Volieren schaut Katharina nach, ob alles ok ist. Wie sind die Vögel drauf? Guckt einer irgendwie komisch? Hat er nur schlechte Laune oder ein gesundheitliches Problem? Einen richtigen Eindruck bekommt die Falknerin beim Wiegen – einem besonders wichtigen Tagespunkt. Auch dadurch wird die Beziehung gepflegt.
Allerdings mögen Greifvögel es nicht gern, wenn sie gekrault werden. Manch einer akzeptiert es zwar, findet es aber nicht richtig toll. „Selbst untereinander gibt es außer in der Paarungszeit kaum Berührungen“, sagt Katharina. „denn es sind Einzel- und keine Rudeltiere. Nur einmal hatten wir ein Pärchen, das wir Romeo und Julia genannt haben, weil sie überhaupt nicht voneinander lassen konnten. Aber das war wirklich die Ausnahme.“
Abflug von Katharinas ausgestreckter Faust
© Hans-Peter Leiter / Ötztaler Greifvogelpark
Vier Vögel maximal sind gleichzeitig in der Luft. Einer hält jetzt im Sturzflug Kurs auf die Wiese. Steuert mit Steinadleraugen auf Katharinas ausgestreckte Faust zu. Er braucht nicht zurückzukommen, wenn er nicht will. Das weiß er. Aber er weiß auch, dass er schon morgen wieder starten darf, in den Himmel über dem Ötztal, wo er seine Schrauben dreht und auf der perfekten Thermikwelle surft. Wo er den Wind in seinem Gefieder spürt und die Sonne. Wo er seine Freiheit als Greifvogel lebt.
www.greifvogelpark.at informiert über Öffnungszeiten, Flugvorführungen und Preise. Der Greifvogelpark ist vom 1. Mai bis 26. Oktober 2017 geöffnet.
Titelbild: © Gebhard Schranz / Ötztaler Greifvogelpark
Gastautorin Dagmar Gehm © Zhengrong Liu
Gastautorin Dagmar Gehm
Die Hamburger Journalistin und sportliche Globetrotterin ist langjähriger Fan des Ötztals, weil sie sich der Faszination der Kontraste nicht entziehen kann:
- Action – Abgeschiedenheit,
- Rausch der Geschwindigkeit – Relaxen in der Ruhe,
- uralte Rituale – am Puls der Zeit.
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